Veröffentlicht am März 11, 2024

Die Überwachung deutscher Wälder und Felder aus dem All ist kein passives „Foto-Machen“, sondern eine aktive Diagnose, die erst durch die intelligente Kombination verschiedener Satellitentypen und die Korrektur von Fehlern wirklich wertvoll wird.

  • Optische Satelliten (wie Sentinel-2) liefern detaillierte Farbinformationen, sind aber bei deutschem Herbstwetter durch Wolken oft unbrauchbar.
  • Radarsatelliten (wie TerraSAR-X) durchdringen Wolken und Dunkelheit und messen strukturelle Veränderungen, was sie für das Katastrophenmanagement unverzichtbar macht.

Recommandation: Betrachten Sie Satellitendaten nicht als einfaches Bild, sondern als vielschichtiges Diagnoseinstrument, dessen wahrer Wert in der korrekten Interpretation liegt, um fundierte Entscheidungen für Landwirtschaft und Umweltschutz zu treffen.

Die Bilder sind uns allen vertraut: ausgedörrte Felder im Sommer, reißende Fluten nach Starkregen. Für deutsche Landwirte und Forstwirte sind dies keine abstrakten Nachrichten, sondern existenzbedrohende Realitäten. In diesem Kampf um Ernten und gesunde Wälder wird immer häufiger von einer Lösung aus dem All gesprochen: der Satellitenüberwachung. Die Vorstellung, jeden Quadratmeter in Echtzeit im Blick zu haben, klingt verlockend und nach einer technologischen Wunderwaffe. Man denkt an scharfe, bunte Bilder, die präzise zeigen, wo ein Problem auftritt.

Doch diese populäre Vorstellung greift zu kurz. Sie ignoriert die größte Herausforderung im praktischen Einsatz in Deutschland: unser Wetter. Was nützt das beste optische System, wenn dichte Wolken wochenlang den Blick versperren? Zudem sind die Rohdaten allein oft irreführend und können ohne korrektes Fachwissen zu teuren Fehlentscheidungen führen. Der wahre Wert der Erdbeobachtung liegt nicht im simplen Abfotografieren der Erdoberfläche, sondern in einem viel subtileren, diagnostischen Ansatz. Es geht darum, unsichtbare Signale zu erkennen, lange bevor das menschliche Auge ein Problem wahrnimmt.

Dieser Artikel bricht mit der oberflächlichen Betrachtung. Statt nur die Technologie zu preisen, tauchen wir tief in die Methodik ein. Wir enthüllen, warum bodengestützte Wetterstationen entscheidende Veränderungen im Wald verpassen und wie es Satelliten gelingt, verschiedene Datentypen – optische und Radarwellen – zu einem lückenlosen Lagebild zu kombinieren. Es ist eine Reise von der rohen Pixelinformation zur fundierten, datengetriebenen Entscheidung, die Landwirten hilft, Ressourcen zu sparen und gleichzeitig Erträge zu sichern.

Die folgenden Abschnitte führen Sie Schritt für Schritt durch die komplexen, aber faszinierenden Aspekte der modernen Erdbeobachtung. Wir zeigen Ihnen, wie aus Terabytes an Daten konkreter Nutzen für den deutschen Wald und Acker wird.

Warum übersehen Wetterstationen 70% der Temperaturveränderungen in deutschen Wäldern?

Die Vorstellung, dass ein dichtes Netz von Wetterstationen uns ein genaues Bild vom Zustand unserer Umwelt liefert, ist ein Trugschluss. Besonders in komplexen Ökosystemen wie Wäldern scheitern sie an einer entscheidenden Hürde: der Erfassung von Mikroklimata. Während eine Station vielleicht alle paar Kilometer die Temperatur misst, entgehen ihr die dramatischen Unterschiede, die innerhalb weniger Meter auftreten können – etwa zwischen einer sonnenexponierten Lichtung und einem schattigen, feuchten Nordhang. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland laut aktuellen Daten des DLR fast 900.000 Hektar Waldfläche seit 2017 verloren hat, ist diese Messlücke fatal.

Hier spielen Satelliten ihre Stärke als präzises Diagnoseinstrument aus. Anstatt punktueller Messungen liefern sie ein flächendeckendes Mosaik. Eine Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Harz hat dies eindrücklich gezeigt. Durch die Analyse von Satellitenbildern mit einer Auflösung von 5 bis 20 Metern konnten die Forscher kleinräumige Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede aufdecken, die für das Überleben von jungen Bäumen entscheidend sind. Ein Pixel im Satellitenbild repräsentiert den Durchschnittswert aller Pflanzen in diesem Bereich und offenbart so mikroklimatische Anomalien, die das weitmaschige Netz von Bodenstationen schlichtweg übersieht.

Diese Fähigkeit, das Gesamtbild zu erfassen, macht den Unterschied zwischen einer allgemeinen Wettervorhersage und einer spezifischen forstwirtschaftlichen Handlungsempfehlung aus. Man erkennt nicht nur, dass eine Region „trocken“ ist, sondern identifiziert exakt jene Teilflächen, die als erste unter Hitzestress leiden. Diese Präzision ist die Grundlage für gezielte Maßnahmen und ein effektives Waldmanagement in Zeiten des Klimawandels.

Wie schaffen es europäische Satelliten, 83 Millionen Hektar alle 120 Stunden zu scannen?

Die Überwachung einer Fläche von der Größe Deutschlands und darüber hinaus im Fünf-Tage-Rhythmus ist eine logistische und technische Meisterleistung. Das Herzstück dieses Systems ist das europäische Copernicus-Programm, das eine Flotte von Sentinel-Satelliten betreibt. Diese umkreisen die Erde unermüdlich und scannen mit breiten Aufnahmestreifen riesige Gebiete. Die schiere Menge der dabei generierten Informationen ist gewaltig: Allein das Earth Observation Center (EOC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) verarbeitet täglich rund 21 Terabyte an neuen Daten und verwaltet ein Archiv von über 29 Petabyte. Das ist eine Datenmenge, die Tausenden von Spielfilmen in höchster Auflösung entspricht – jeden einzelnen Tag.

Diese Datenflut wäre jedoch für die meisten Nutzer wertlos, wenn der Zugang teuer und kompliziert wäre. Der entscheidende Wendepunkt war eine politische Entscheidung, die das gesamte Feld der Fernerkundung revolutionierte. Das DLR beschreibt diesen Wandel so:

Gerade einmal zwölf Jahre ist es her, dass zuerst die USA die ‚free & open‘-Entwicklung angestoßen haben und Aufnahmen der Landsat-Satelliten zum Allgemeingut erklärten. Bildszenen, die zuvor hunderte von Dollar kosteten, waren plötzlich frei erhältlich. Die EU griff diese Idee auf. Heute sind die meisten Satellitendaten frei verfügbar.

– DLR, 40 Jahre angewandte Fernerkundung im DLR

Diese „free & open“ Datenpolitik hat eine Innovationswelle ausgelöst. Universitäten, Start-ups und etablierte Unternehmen können nun auf einen unvorstellbaren Datenschatz zugreifen, um Algorithmen und Anwendungen zu entwickeln. Die Fähigkeit, 83 Millionen Hektar alle 120 Stunden zu scannen, ist also nicht nur eine Frage der Satellitentechnik, sondern auch das Ergebnis einer visionären Entscheidung, Wissen frei zu teilen und so kollektive Intelligenz zu fördern.

Sentinel-2 vs. TerraSAR-X: Welcher Satellit funktioniert bei deutschem Herbstwetter?

Die Frage, welcher Satellit „besser“ ist, ist irreführend. Die richtige Frage lautet: Welches Instrument ist für welche Aufgabe und unter welchen Bedingungen das richtige? In Deutschland, bekannt für seine häufige Wolkenbedeckung, ist diese Unterscheidung entscheidend. Die beiden Arbeitspferde der deutschen Erdbeobachtung, Sentinel-2 und TerraSAR-X, illustrieren diesen Punkt perfekt.

Sentinel-2 ist ein optischer Satellit. Man kann ihn sich wie eine extrem hochentwickelte Digitalkamera im All vorstellen. Er nimmt Bilder in verschiedenen Wellenlängen des Lichts auf und liefert uns die bekannten, farbenfrohen Ansichten der Erdoberfläche. Diese Daten sind ideal, um die Vitalität von Pflanzen (Chlorophyll-Gehalt), den Wassergehalt von Blättern oder die Landnutzung zu analysieren. Sein großer Nachteil: Er ist auf gutes Wetter angewiesen. Dichte Wolken, Dunst oder die Dunkelheit der Nacht machen ihn blind.

Hier kommt TerraSAR-X ins Spiel, ein deutscher Hochleistungs-Radarsatellit. Anstatt passiv Licht zu empfangen, sendet er aktiv Radarwellen (im X-Band) zur Erde und analysiert das zurückgeworfene Echo. Diese Wellen durchdringen Wolken, Regen und Dunkelheit mühelos. Wie eine Fledermaus, die sich per Echolot orientiert, tastet TerraSAR-X die Oberflächenstruktur der Erde ab. Glatte Flächen wie Wasser erscheinen auf den Radarbildern schwarz, raue Oberflächen wie Wälder oder Städte heller. Diese Fähigkeit macht ihn zu einem unverzichtbaren Werkzeug im Katastrophenmanagement, wie bei der Hochwasserkatastrophe 2021 in Deutschland, wo er metergenau die Ausdehnung der überfluteten Gebiete kartieren konnte. Seine hohe Agilität, die es ihm ermöglicht, jeden Ort auf der Erde innerhalb von 1 bis 3 Tagen zu erreichen, ist im Krisenfall entscheidend.

Vergleich Sentinel-2 und TerraSAR-X bei Wolkenbedeckung über deutschem Wald

Der wahre strategische Vorteil liegt in der Datenfusion: der intelligenten Kombination beider Systeme. Ein wolkenfreies Sentinel-2-Bild liefert die Basisinformation über die Pflanzengesundheit. Zieht eine Wolkendecke auf, liefert TerraSAR-X weiterhin Daten über strukturelle Veränderungen, etwa ob ein Kronendach durch Sturm oder Schädlingsbefall lichter wird. Nur durch diese Synergie wird eine lückenlose Überwachung unter den realen Wetterbedingungen in Deutschland möglich.

Die 3 häufigsten Fehlinterpretationen von Satellitendaten, die zu Fehlentscheidungen führen

Der freie Zugang zu Satellitendaten ist ein Segen, birgt aber auch Risiken. Ohne das nötige Fachwissen können die scheinbar klaren Bilder zu gravierenden Fehlinterpretationen und kostspieligen Fehlentscheidungen führen. Es ist entscheidend, die Daten nicht als unfehlbare Wahrheit, sondern als komplexe Messwerte mit spezifischen Grenzen zu betrachten. Drei Fehlerquellen treten in der Praxis besonders häufig auf:

  • Fehler 1: Das Pixel-Problem (Aggregationseffekt): Ein einzelnes Pixel eines Sentinel-2-Bildes deckt eine Fläche von 10×10 Metern ab. Der Farbwert dieses Pixels ist der Durchschnittswert aller Pflanzen in diesem Quadrat. Ein beginnender Schädlingsbefall oder Trockenstress an nur wenigen Pflanzen wird daher oft „weggemittelt“. Das Pixel erscheint insgesamt noch „gesund“, obwohl bereits ein Problemherd existiert. Sich allein auf den Durchschnittswert zu verlassen, führt dazu, dass wertvolle Zeit für ein frühes Eingreifen verloren geht.
  • Fehler 2: Die Verwechslung von Kulturen (Spektrale Ähnlichkeit): Algorithmen, die Pflanzenarten anhand ihrer „Farbsignatur“ (ihrem spektralen Profil) unterscheiden sollen, können an ihre Grenzen stoßen. Ähnliche Pflanzen in ähnlichen Wachstumsstadien sind schwer zu trennen. Ein Landwirt berichtet beispielsweise, dass sein System Silomais fälschlicherweise als Kartoffeln erkannte. Diese Verwechslungen können zu falschen Dünge- oder Ernteempfehlungen führen. Der Landwirt Simon Zwanzger beschreibt ein ähnliches Problem mit einer Prise Frustration:
  • Fehler 3: Atmosphärische Störungen (Falscher Stress): Leichter Dunst, hohe Zirruswolken oder sogar Rauchpartikel in der Atmosphäre beeinflussen, wie das Licht den Satellitensensor erreicht. Ohne eine professionelle atmosphärische Korrektur können diese Störungen fälschlicherweise als Anzeichen für Pflanzenstress interpretiert werden. Die Pflanze ist kerngesund, aber der „Filter“ der Atmosphäre lässt sie krank erscheinen.

Wickroggen-Ganzpflanzensilage (GPS) mit Untersaat – da wird mir Mitte August jetzt geschickt, dass hier Kleegras und kein Wickroggen steht.

– Simon Zwanzger, Agrarheute – Flächenüberwachung per Satellit

Diese Beispiele zeigen, dass Satellitendaten kein „Plug-and-Play“-System sind. Sie erfordern eine sorgfältige Kalibrierung, Validierung am Boden („Ground Truth“) und ein tiefes Verständnis für die Physik hinter der Messung. Die Daten sind eine mächtige Entscheidungsgrundlage, aber niemals ein Ersatz für agronomisches oder forstwirtschaftliches Fachwissen.

Welche 5 Frühwarnsignale entdecken Satelliten vor Ort-Messungen in deutschen Wäldern?

Die größte Stärke der Satellitenüberwachung liegt nicht darin, Schäden zu dokumentieren, die bereits mit bloßem Auge sichtbar sind. Ihr revolutionäres Potenzial entfaltet sich bei der Erkennung von Stresssignalen, lange bevor ein Baum braune Blätter bekommt oder eine Erntepflanze welkt. Satelliten agieren als ein Frühwarnsystem, das auf subtile physiologische Veränderungen in der Pflanze reagiert. Sie machen das Unsichtbare sichtbar.

Diese Frühwarnsignale sind für Forstwirte und Landwirte von unschätzbarem Wert, da sie ein proaktives Handeln ermöglichen, anstatt nur auf bereits eingetretene Schäden zu reagieren. Die folgende Checkliste fasst die fünf wichtigsten unsichtbaren Signale zusammen, die moderne Satelliten aus dem All detektieren können.

Checkliste: Die 5 unsichtbaren Waldstress-Signale aus dem All

  1. Transpirations-Stress: Bevor eine Pflanze welkt, reduziert sie bei Wasserknappheit ihre Transpiration (die Wasserabgabe über die Blätter), um Wasser zu sparen. Dieser Prozess führt zu einem leichten Anstieg der Blattoberflächentemperatur. Hochempfindliche thermische Sensoren auf Satelliten können diesen Temperaturanstieg messen und so Trockenstress Tage oder Wochen vor sichtbaren Anzeichen erkennen.
  2. Chlorophyll-Fluoreszenz: Gesunde Pflanzen nutzen Sonnenlicht für die Photosynthese, geben aber einen winzigen Teil dieser Energie als fluoreszierendes Leuchten wieder ab. Unter Stress (z. B. durch Nährstoffmangel oder Trockenheit) ändert sich die Effizienz der Photosynthese, was die Intensität dieser Fluoreszenz verändert. Spezialisierte Spektrometer können dieses Signal messen und so direkte Einblicke in die Stoffwechselaktivität und den Gesundheitszustand der Pflanze gewinnen.
  3. Strukturelle Veränderungen: Ein Baum, der unter chronischem Stress leidet, verliert nach und nach Blätter oder Nadeln, was sein Kronendach lichter werden lässt. Während dies anfangs kaum sichtbar ist, können Radarsatelliten wie TerraSAR-X durch die Analyse der zurückgestreuten Radarwellen sehr genau die Oberflächengestalt und -dichte vermessen und so eine schleichende Ausdünnung des Kronendachs frühzeitig detektieren.
  4. Bodenfeuchtigkeit im Oberboden: Mikrowellensensoren können die Feuchtigkeit in den obersten Zentimetern des Bodens flächendeckend messen, unabhängig von der Wolkenbedeckung. Dies gibt einen direkten Indikator für die Wasserverfügbarkeit für die Pflanzenwurzeln und ermöglicht eine präzise Vorhersage von Dürreperioden in landwirtschaftlichen Kulturen.
  5. Blattwassergehalt: Bestimmte Kanäle im kurzwelligen Infrarotbereich (SWIR), die von Satelliten wie Sentinel-2 erfasst werden, sind sehr empfindlich gegenüber dem Wassergehalt in den Blättern. Ein Rückgang des Blattwassers ist eines der ersten Anzeichen für Trockenstress. Satelliten können diese Veränderung detektieren, lange bevor das Blatt seine Form oder Farbe ändert.

Die Fähigkeit, diese Signale zu entschlüsseln, verwandelt die Satellitenfernerkundung von einem reinen Beobachtungswerkzeug in ein proaktives Managementinstrument. Es ermöglicht ein Handeln, bevor der Schaden irreparabel ist.

Warum verlieren deutsche Weizenfelder bei 3 Wochen Trockenheit 40% des Ertrags?

Ein Ertragsverlust von 40% nach nur drei Wochen Trockenheit klingt dramatisch, ist aber eine realistische Gefahr, wenn die Dürre in einer kritischen Wachstumsphase der Pflanze auftritt. Beim Weizen ist dies beispielsweise die Phase des Ährenschiebens und der Kornfüllung. Wassermangel in diesem Zeitfenster führt zu weniger und kleineren Körnern, ein Schaden, der später nicht mehr kompensiert werden kann. Das Problem für den Landwirt war bisher, den exakten Zustand seines gesamten Feldes zu kennen. Oft sind die Böden heterogen: An einer Stelle ist der Boden sandiger und trocknet schneller aus, an anderer Stelle ist er lehmiger und speichert Wasser besser.

Traditionelle Methoden, wie das Ziehen von Bodenproben oder die Analyse einzelner Pflanzen, liefern nur ein lückenhaftes Bild. Das Saatgutunternehmen KWS beschreibt die alte Methode für das Mais-Monitoring so: „Mit dem bisherigen TS-Monitoring haben wir pro Feld drei zufällig ausgewählte Pflanzen analysiert und dann über das ganze Feld entschieden.“ Diese Methode ignoriert die kleinräumigen Unterschiede, die in vielen Regionen Deutschlands, etwa in Bayern oder Baden-Württemberg, typisch sind. Ein Feld ist selten homogen.

Die Satellitenüberwachung löst dieses Problem, indem sie für das gesamte Feld ein vollständiges Bild liefert, egal ob es 3 oder 300 Hektar groß ist. Anhand von Vegetationsindizes erkennt der Satellit genau jene Teilflächen, die als erste Anzeichen von Trockenstress zeigen. Anstatt das gesamte Feld pauschal zu bewässern, kann der Landwirt nun gezielt nur die bedürftigen Zonen versorgen. Ebenso entscheidend ist die Ernteplanung. Beim Silomais etwa ist der optimale Erntezeitpunkt erreicht, wenn die Pflanze einen Trockensubstanzgehalt (TS-Gehalt) von 30 bis 35 Prozent aufweist. Satellitendaten, kalibriert mit wenigen Referenzmessungen am Boden, ermöglichen es, diesen optimalen Zeitpunkt für jede Teilfläche exakt zu bestimmen und so Ertrags- und Qualitätsverluste zu minimieren.

Wie reduziert Precision Farming den Düngemitteleinsatz um 35% ohne Ertragsverlust?

Precision Farming, oder Präzisionslandwirtschaft, ist die praktische Anwendung der Satellitendiagnose. Das Grundprinzip ist einfach: Anstatt ein Feld als eine homogene Einheit zu behandeln, wird es als ein Mosaik aus vielen kleinen Zonen mit unterschiedlichen Bedürfnissen betrachtet. Die Reduzierung des Düngemitteleinsatzes um bis zu 35% wird durch die sogenannte teilflächenspezifische Düngung erreicht.

Der Prozess funktioniert so: Zunächst erstellen Satelliten über die Vegetationsperiode hinweg eine Ertragspotenzialkarte des Feldes. Diese Karte zeigt, welche Zonen historisch ertragsstark sind und welche eher schwach. Ertragsstarke Zonen haben einen höheren Nährstoffbedarf, während ertragsschwache Zonen mit weniger Dünger auskommen. Basierend auf dieser Karte wird eine Applikationskarte für den Düngerstreuer erstellt. Der moderne, GPS-gesteuerte Traktor weiß dann zentimetergenau, an welcher Stelle des Feldes er wie viel Dünger ausbringen muss. So wird nur jener Bereich gedüngt, der es wirklich nötig hat und die Nährstoffe auch in Ertrag umsetzen kann. Das führt zu einer massiv höheren Effizienz der eingesetzten Betriebsmittel und schont nicht nur den Geldbeutel des Landwirts, sondern auch die Umwelt durch geringere Nährstoffauswaschung.

Diese Technologie ist in Deutschland keine ferne Zukunftsmusik mehr. Laut aktueller Landwirtschaftsstatistik nutzen bereits 21% der Betriebe digitale Methoden zur Überwachung der Anbaubedingungen und 18% setzen auf variable Ausbringungstechnik. Die Düngung ist dabei nur ein Anwendungsfall. Das gleiche Prinzip der teilflächenspezifischen Behandlung wird auch bei der Aussaat (Anpassung der Saatstärke an die Bodengüte) und beim Pflanzenschutz angewendet, was die Nachhaltigkeit weiter steigert.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die wahre Stärke von Satelliten liegt in der Diagnose unsichtbarer Stressfaktoren, nicht nur in der Abbildung sichtbarer Schäden.
  • Die Kombination von optischen (Sentinel-2) und Radardaten (TerraSAR-X) ist entscheidend, um trotz Wolken eine lückenlose Überwachung in Deutschland zu gewährleisten.
  • Precision Farming nutzt Satellitendaten, um Felder in Zonen zu unterteilen und Betriebsmittel wie Dünger und Pestizide nur dort einzusetzen, wo sie wirklich benötigt werden, was zu erheblichen Einsparungen führt.

Wie steigern deutsche Landwirte Erträge um 25% bei 30% weniger Pestizideinsatz?

Die Steigerung von Erträgen bei gleichzeitigem Verzicht auf Betriebsmittel wie Pestizide klingt paradox, ist aber das Kernversprechen der digitalisierten Landwirtschaft. Die enorme Akzeptanz zeigt, dass die Vorteile in der Praxis überwiegen: Eine Studie des Deutschen Bauernverbands zeigt, dass bereits 82% der deutschen Landwirte digitale Technologien in irgendeiner Form nutzen. Die Kombination aus Ertragssteigerung und Ressourcenschonung wird durch die intelligente Verknüpfung von Satellitendaten, Sensorik am Traktor und künstlicher Intelligenz erreicht.

Ein Schlüsselkonzept ist das „Spot Spraying“ (punkgenaue Anwendung). Anstatt das gesamte Feld präventiv mit einem Pflanzenschutzmittel zu besprühen, wird nur dort behandelt, wo tatsächlich ein Problem (z. B. Unkraut oder ein Pilzbefall) auftritt. In der Praxis funktioniert das so: Ein Satellit oder eine Drohne identifiziert eine Verdachtsfläche. Der Traktor fährt dann über diese Fläche, wobei Kameras und Sensoren in Echtzeit jede einzelne Pflanze scannen. Eine künstliche Intelligenz analysiert die Bilder, unterscheidet zwischen Nutzpflanze und Unkraut und steuert die Spritzdüsen so, dass nur das Unkraut Millisekundengenau besprüht wird. Dieses Vorgehen reduziert den Pestizideinsatz radikal.

Laut einer Umfrage von Agrarheute nutzt bereits ein Drittel der befragten Landwirte den teilflächenspezifischen Pflanzenschutz. Wenn man dies mit der teilflächenspezifischen Düngung (von der Hälfte der Landwirte genutzt) und der Ertragskartierung (40% Nutzung) kombiniert, entsteht ein umfassendes Managementsystem. Die Erträge steigen, weil jede Pflanze die optimalen Nährstoffe und den optimalen Schutz erhält, während gleichzeitig Kosten und Umweltbelastung sinken. Es ist die ultimative Umsetzung des Prinzips: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Um diese fortschrittlichen Methoden in Ihrem eigenen Betrieb oder für Ihre Umweltprojekte zu bewerten, ist der erste Schritt, die verfügbaren Daten und Werkzeuge zu verstehen und eine präzise Analyse Ihrer spezifischen Bedürfnisse durchzuführen.

Geschrieben von Franziska Becker, Dr.-Ing. Franziska Becker ist promovierte Umweltingenieurin und seit 13 Jahren Nachhaltigkeitsberaterin mit Spezialisierung auf Kreislaufwirtschaft, CO₂-Bilanzierung und betriebliches Umweltmanagement. Sie leitet ein Beratungsunternehmen mit 12 Mitarbeitenden, das Unternehmen und Kommunen bei der Dekarbonisierung unterstützt.