Veröffentlicht am Mai 20, 2024

Die nächste Therapie-Generation ist keine ferne Zukunftsmusik mehr, sondern Realität in deutschen Kliniken – sie erfordert jedoch einen informierten und realistischen Blick von Patienten.

  • Immun- und Gentherapien bieten erstmals Chancen auf dauerhafte Remission bei Krankheiten, die bisher als unheilbar galten.
  • Der Zugang in Deutschland ist klar geregelt, aber mit hohen Hürden wie Kosten und strengen Zulassungskriterien verbunden.

Empfehlung: Verstehen Sie den Wirkmechanismus Ihrer potenziellen Therapie und bewerten Sie die Evidenz kritisch, um Heilsversprechen von echter medizinischer Innovation zu unterscheiden.

Für Patienten, deren Weg von zahllosen Behandlungsversuchen und enttäuschten Hoffnungen geprägt ist, klingen Begriffe wie CAR-T-Zelltherapie, Gentherapie oder Stammzellen oft wie ein fernes Versprechen. Viele Artikel preisen diese Ansätze als universelle Wundermittel an, erwähnen aber nur am Rande die komplexen Realitäten, die damit verbunden sind. Sie sprechen über die Technologie, aber nicht über den konkreten Weg eines Patienten im deutschen Gesundheitssystem – den sogenannten Patientenpfad. Dieser Weg ist oft steinig, geprägt von regulatorischen Hürden, hohen Kosten und der schwierigen Abwägung von Chancen und Risiken.

Doch was, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, blind auf ein Wunder zu hoffen, sondern darin, zu einem mündigen Partner im Behandlungsprozess zu werden? Die wahre Revolution liegt nicht nur in der Spritze oder Infusion, sondern im Verständnis. Es geht darum, den Wirkmechanismus zu begreifen, warum eine Therapie wirken kann, wo andere versagt haben. Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen und unseriöse Angebote von echter, evidenzbasierter Forschung zu unterscheiden. Dieser Artikel ist Ihr Kompass jenseits des Hypes. Er soll Ihnen nicht nur neue Therapien vorstellen, sondern Ihnen auch das Rüstzeug an die Hand geben, um die tatsächlichen Chancen und Hürden für sich selbst realistisch einzuschätzen.

Wir werden gemeinsam die Funktionsweise dieser bahnbrechenden Behandlungen entschlüsseln, die Fallstricke wie den „Stammzelltourismus“ beleuchten und den konkreten Weg von einer vielversprechenden Studie bis zur Kostenübernahme durch Ihre Krankenkasse nachzeichnen. So werden Sie in die Lage versetzt, fundierte Gespräche mit Ihren Ärzten zu führen und die für Sie beste Entscheidung zu treffen.

Warum heilt Immuntherapie Blutkrebs, den 8 Chemotherapien nicht stoppen konnten?

Eine Chemotherapie ist wie ein Flächenbombardement: Sie zerstört schnell wachsende Zellen, trifft dabei aber nicht nur den Krebs, sondern auch gesundes Gewebe. Clevere Tumorzellen lernen zudem, sich zu tarnen oder die Medikamente abzuwehren. Hier setzt die CAR-T-Zelltherapie, eine Form der Immuntherapie, an. Sie ist keine externe Waffe, sondern ein Upgrade für das körpereigene Immunsystem. Ärzten entnehmen einem Patienten T-Zellen, eine Art „Spezialeinheit“ des Immunsystems. Im Labor werden diese genetisch so umprogrammiert, dass sie einen „Chimeric Antigen Receptor“ (CAR) auf ihrer Oberfläche tragen. Dieser Rezeptor ist ein maßgeschneiderter Sensor, der exakt an ein bestimmtes Oberflächenmerkmal der Krebszellen andockt.

Zurück im Körper des Patienten, agieren diese aufgerüsteten CAR-T-Zellen wie zielsuchende Raketen. Sie ignorieren gesunde Zellen und jagen gezielt die getarnten Krebszellen, um sie zu zerstören. Dieser hochspezifische Wirkmechanismus ist der Grund, warum sie auch dann noch wirken können, wenn multiple Chemotherapien versagt haben. Die Erfolge sind beeindruckend: Bei bestimmten, sonst austherapierten Blutkrebsarten zeigen Langzeitstudien eine komplette Remission bei über 75% der Patienten nach drei Jahren. Doch die Therapie ist auch mit Risiken wie dem Zytokinfreisetzungssyndrom verbunden und erfordert eine hochspezialisierte Betreuung.

Die Forschung in Deutschland schreitet rasant voran. An der Charité – Universitätsmedizin Berlin wird beispielsweise eine innovative CXCR5-CAR-T-Zelltherapie entwickelt, die nicht nur die Tumorzelle, sondern auch ihre unterstützende Umgebung angreift. Wie Prof. Dr. Ulrich Keller, Klinikdirektor an der Charité, betont:

Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dieser Phase-I-Studie die Sicherheit der neuen CXCR5-CAR-T-Zelltherapie nachweisen und auch erste Hinweise auf deren Wirksamkeit finden werden.

– Prof. Dr. Ulrich Keller, Charité-Klinikdirektor, Pressemitteilung 2024

Diese gezielte Aktivierung des eigenen Körpers schlägt eine Brücke von der Bekämpfung zur potenziellen Auslöschung der Krankheit und definiert die Grenzen des Möglichen neu.

Wie korrigiert eine einmalige Gentherapie-Infusion lebenslang Hämophilie?

Bei der Hämophilie (Bluterkrankheit) fehlt dem Körper aufgrund eines Gendefekts ein entscheidender Gerinnungsfaktor. Die Standardtherapie besteht darin, diesen fehlenden Faktor regelmäßig zu spritzen – ein Leben lang. Eine Gentherapie verfolgt einen radikal anderen Ansatz: Sie repariert nicht die Symptome, sondern die Ursache an der Wurzel. Das Prinzip ist elegant: Man nutzt ein harmlos gemachtes Virus (meist ein Adeno-assoziiertes Virus, AAV) als eine Art „genetisches Taxi“. Dieses Taxi wird im Labor mit einer intakten Kopie des Gens beladen, das für den fehlenden Gerinnungsfaktor verantwortlich ist.

Per Infusion wird dieses Gen-Taxi in den Körper des Patienten geschleust. Es steuert gezielt die Leberzellen an – die natürliche Fabrik für Gerinnungsfaktoren. Dort angekommen, liefert es seine Fracht ab. Das neue, gesunde Gen nistet sich in den Leberzellen ein und gibt ihnen die „Bauanleitung“ zurück, die sie verloren hatten. Von diesem Moment an kann die Leber des Patienten selbstständig den benötigten Gerinnungsfaktor produzieren. Eine einmalige Behandlung hat das Potenzial, die Krankheit dauerhaft zu korrigieren oder zumindest so stark zu lindern, dass keine regelmäßigen Injektionen mehr nötig sind. Dies stellt eine fundamentale Verbesserung der Lebensqualität dar.

Visualisierung des Gentherapie-Infusionsprozesses bei Hämophilie

Diese technologische Meisterleistung hat jedoch ihren Preis und stellt eine der größten Hürden dar. Während die Kosten für eine Hämophilie-Gentherapie noch nicht final feststehen, geben verwandte Technologien einen Anhaltspunkt. So kostet beispielsweise die gentechnische Veränderung von Immunzellen bei einer CAR-T-Behandlung in Deutschland rund 275.000 Euro. Diese Summe reflektiert die enorme Komplexität der individuellen Herstellung und Qualitätskontrolle dieser „lebenden Medikamente“.

Obwohl die Kosten eine Herausforderung sind, muss man sie ins Verhältnis zu den lebenslangen Kosten der konventionellen Faktor-Ersatztherapie setzen, die ebenfalls immens sind. Die Debatte um die Kostenübernahme durch die Krankenkassen wird daher die Zugänglichkeit dieser Revolution maßgeblich bestimmen.

Eigene Stammzellen vs. 3D-gedruckter Knorpel: Was hilft deutschen Arthrose-Patienten?

Arthrose, der schmerzhafte Gelenkverschleiß, betrifft Millionen Deutsche. Wenn Salben und Schmerzmittel nicht mehr helfen, rücken regenerative Ansätze in den Fokus. Zwei vielversprechende, aber grundlegend verschiedene Strategien sind die Therapie mit körpereigenen Stammzellen und der Einsatz von 3D-gedrucktem Knorpelersatz. Bei der Stammzelltherapie werden mesenchymale Stammzellen (MSCs) aus dem eigenen Fettgewebe oder Knochenmark des Patienten isoliert. Diese Zellen haben entzündungshemmende Eigenschaften und können die Selbstheilungskräfte des Körpers anregen, um den verbleibenden Knorpel zu schützen und Schmerzen zu lindern. Der Vorteil liegt in der biologischen Integration und dem geringen Abstoßungsrisiko.

Der 3D-Druck geht einen mechanischen Weg. Basierend auf exakten MRT-Scans des Gelenks wird ein passgenaues Gerüst aus einem biokompatiblen Material gedruckt. Dieses Gerüst wird chirurgisch in den Knorpeldefekt eingesetzt. Es dient als eine Art „Spalier“, in das körpereigene Knorpelzellen einwachsen und neues Gewebe bilden können. Der Vorteil hier ist die präzise strukturelle Rekonstruktion auch bei größeren Defekten. Beide Ansätze sind noch weitgehend experimentell, aber die Wahl hängt stark vom individuellen Befund ab: Stammzellen eher bei diffuser Entzündung und beginnendem Verschleiß, 3D-Druck bei klar abgegrenzten Knorpelschäden.

In der aktuellen klinischen Praxis dominieren Stammzelltherapien, die aufbereitet und direkt injiziert werden. Hierbei wird zwischen körpereigenen (autologen) und Spender-Zellen (allogenen) unterschieden. Die folgende Tabelle zeigt die wesentlichen Unterschiede dieser beiden Ansätze.

Vergleich autologer vs. allogener Stammzelltherapien
Kriterium Autologe Stammzellen Allogene Stammzellen
Sicherheit Höher (kein Abstoßungsrisiko) Niedriger (Immunreaktionen möglich)
Kosten Höher (individuelle Aufbereitung) Niedriger (Batch-Produktion)
Verfügbarkeit 2-4 Wochen Wartezeit Sofort verfügbar
Marktanteil 2024 91,7% 8,3%

Letztendlich muss der behandelnde Orthopäde entscheiden, welcher Ansatz – biologische Stimulation durch Stammzellen oder struktureller Ersatz durch 3D-Druck – für den spezifischen Gelenkschaden des Patienten am sinnvollsten ist.

Die 5 Warnsignale unseriöser Stammzellkliniken, die 10.000 Deutsche jährlich täuschen

Die Hoffnung, die mit Stammzelltherapien verbunden ist, hat leider auch eine Schattenseite: den sogenannten Stammzelltourismus. Weltweit, aber auch mit Angeboten, die sich an deutsche Patienten richten, werben dubiose Kliniken mit Heilsversprechen für eine Vielzahl von Krankheiten – von Arthrose über Autismus bis hin zu neurodegenerativen Erkrankungen. Diese Anbieter nutzen die Verzweiflung von Patienten aus und verlangen oft Tausende von Euro für Behandlungen, deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht durch wissenschaftliche Studien belegt sind. Die Gefahr ist real, wie der tragische Todesfall eines Kindes 2010 im mittlerweile geschlossenen XCell-Center in Düsseldorf zeigt. Dort wurde eine Gesetzeslücke genutzt, um ungeprüfte Therapien anzubieten, was die Notwendigkeit einer kritischen Evidenzbewertung unterstreicht.

Glücklicherweise hat sich die regulatorische Situation in Deutschland verbessert. Wie das Fachportal Wissensschau.de feststellt, ist die Gefahr, an eine unseriöse Klinik zu geraten, heute deutlich geringer. Dennoch existiert der Markt, oft durch aggressive Online-Werbung befeuert. Für Patienten ist es daher unerlässlich, die roten Flaggen zu erkennen. Anstatt auf emotionale Patientenberichte zu vertrauen, sollten Sie nach harten Fakten fragen: Wo sind die klinischen Studien publiziert? Ist die Klinik bei einer deutschen Behörde wie dem Paul-Ehrlich-Institut registriert? Seriöse Forschung findet im Rahmen streng kontrollierter Studien statt, nicht gegen Vorkasse in einer Privatklinik im Ausland.

Checkliste: So erkennen Sie unseriöse Stammzell-Angebote

  1. Wirksamkeitsbelege: Werden nur Patienten-Testimonials statt wissenschaftlicher Publikationen in Fachjournalen als Beweis angeführt?
  2. Behandlungsspektrum: Wird versprochen, dass ein und dieselbe Stammzellbehandlung eine ganze Liste verschiedener, nicht verwandter Krankheiten heilen kann?
  3. Studiendaten: Fehlen jegliche Informationen über die Registrierung und die Ergebnisse von klinischen Studien (Phase I, II, III)?
  4. Kostenstruktur: Werden hohe Gebühren für die Teilnahme an einer angeblichen „klinischen Studie“ verlangt, obwohl Studienteilnahmen in der Regel kostenfrei sind?
  5. Standort-Täuschung: Wird mit einem deutschen Standort geworben, während die eigentliche Behandlung in einem Land mit laxeren Vorschriften stattfindet?

Wenn auch nur einer dieser Punkte zutrifft, sollten bei Ihnen alle Alarmglocken schrillen. Ihre Gesundheit und Ihr Geld stehen auf dem Spiel. Der einzig sichere Weg führt über Ihren behandelnden Arzt und die Teilnahme an offiziell genehmigten klinischen Studien in zertifizierten Zentren in Deutschland.

Wann wird eine vielversprechende Phase-II-Therapie für deutsche Patienten zugänglich?

Die Nachricht, dass eine neue Therapie in einer Phase-II-Studie vielversprechende Ergebnisse zeigt, weckt enorme Hoffnung. Doch von diesem Punkt bis zur breiten Verfügbarkeit für Patienten in Deutschland ist es ein langer, streng regulierter Weg. Dieser „Patientenpfad“ ist notwendig, um Sicherheit und Wirksamkeit zu garantieren. Nach einer erfolgreichen Phase II folgt die entscheidende Phase-III-Studie mit einer großen Patientengruppe. Nur wenn auch diese positiv ausfällt, kann der Hersteller die Zulassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) beantragen. In Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut für die Genehmigung und Überwachung dieser neuartigen Therapien (ATMPs – Advanced Therapy Medicinal Products) zuständig.

Nach der Zulassung durch die EMA folgt die nächste große Hürde in Deutschland: die Kostenübernahme. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bewertet den Zusatznutzen der neuen Therapie im Vergleich zu bestehenden Behandlungen. Auf Basis dieser Bewertung verhandelt der GKV-Spitzenverband (der Dachverband der gesetzlichen Krankenkassen) mit dem Hersteller über den Erstattungspreis. Dieser Prozess kann sich über ein Jahr hinziehen. Erst wenn ein Preis feststeht und die Therapie in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wurde, ist sie für die breite Masse der Patienten zugänglich. Der gesamte Prozess von einer positiven Phase-II-Studie bis zur Regelversorgung kann daher durchaus 3 bis 5 Jahre oder länger dauern.

Der Weg von klinischen Studien zur Patientenverfügbarkeit in Deutschland

Für Patienten mit dringendem Bedarf gibt es jedoch Möglichkeiten, früher Zugang zu erhalten, etwa durch die Teilnahme an einer klinischen Studie. Die Infrastruktur dafür wird in Deutschland kontinuierlich ausgebaut. Bereits bis Februar 2020 gab es in Deutschland 27 qualifizierte Zentren für die Durchführung von CAR-T-Zelltherapien. Ihr behandelnder Facharzt in einer Uniklinik ist die beste Anlaufstelle, um Informationen über laufende Studien zu erhalten.

Geduld und proaktive Kommunikation mit Ihrem Behandlungsteam sind daher unerlässlich, um den für Sie passenden Weg durch dieses komplexe System zu finden.

Warum erkranken Menschen mit gleicher Hirnschädigung unterschiedlich an Demenz?

In der Medizin ist es ein bekanntes Rätsel: Zwei Patienten zeigen im Hirnscan eine ähnliche Ansammlung von Amyloid-Plaques, die als Hauptursache für Alzheimer gelten. Doch während der eine Patient schwere kognitive Einbußen erleidet, bleibt der andere geistig fit. Dieses Phänomen zeigt, dass eine Hirnschädigung allein nicht zwangsläufig zur Demenz führt. Die Antwort liegt in einem Konzept, das als „kognitive Reserve“ bezeichnet wird. Man kann sich das Gehirn wie einen Muskel vorstellen, der durch lebenslanges Training an Stärke und Widerstandsfähigkeit gewinnt.

Diese Reserve wird durch verschiedene Faktoren aufgebaut. Eine höhere Bildung, ein anspruchsvoller Beruf, regelmäßige soziale Interaktion und das Erlernen neuer Fähigkeiten (wie einer Sprache oder eines Musikinstruments) schaffen dichtere und effizientere neuronale Netzwerke im Gehirn. Wenn nun durch eine Krankheit wie Alzheimer Nervenzellen absterben, kann ein Gehirn mit hoher kognitiver Reserve diesen Schaden kompensieren. Es findet quasi alternative Routen und Umleitungen, um eine Information von A nach B zu bringen. Ein Gehirn mit geringer Reserve hat diese flexiblen Netzwerke nicht; der Ausfall von Nervenzellen führt hier viel schneller zu spürbaren Symptomen.

Neben der kognitiven Reserve spielen auch genetische Faktoren und der Lebensstil eine entscheidende Rolle. Bestimmte Genvarianten, wie das APOE4-Gen, erhöhen das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, erheblich. Umgekehrt können eine herzgesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und guter Schlaf das Gehirn schützen und Entzündungsprozesse reduzieren, die den Krankheitsverlauf beschleunigen. Die unterschiedlichen Verläufe bei gleicher Pathologie sind somit ein perfektes Beispiel für das komplexe Zusammenspiel aus genetischer Veranlagung, erworbenen Resilienzfaktoren und dem individuellen Lebensstil. Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung der personalisierten Medizin, die nicht nur die Krankheit, sondern den ganzen Menschen betrachtet.

Es zeigt eindrücklich, dass wir unserem Schicksal nicht passiv ausgeliefert sind, sondern durch unser Verhalten die Widerstandsfähigkeit unseres Gehirns aktiv beeinflussen können.

23andMe-Gentest vs. Familienanamnese: Was sagt Ihr Krebsrisiko präziser voraus?

Direct-to-Consumer (DTC) Gentests wie 23andMe oder AncestryDNA sind populär geworden. Sie versprechen für relativ wenig Geld Einblicke in die eigene Abstammung und gesundheitliche Risiken, einschließlich des Krebsrisikos. Es ist jedoch entscheidend zu verstehen, was diese Tests leisten – und was nicht. Ein Test wie 23andMe prüft in der Regel nur eine Handvoll spezifischer, bekannter Mutationen in Genen wie BRCA1 und BRCA2, die mit einem erhöhten Risiko für Brust- und Eierstockkrebs assoziiert sind. Findet der Test eine dieser Mutationen, ist das ein wichtiger Hinweis. Findet er jedoch nichts, bedeutet das keinesfalls Entwarnung. Es gibt Hunderte anderer relevanter Mutationen in diesen und anderen Genen, die von DTC-Tests gar nicht erfasst werden.

Hier kommt die Familienanamnese ins Spiel, die in der ärztlichen Beratung eine zentrale Rolle spielt. Eine sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte Ihrer Familie durch einen Arzt oder Humangenetiker ist weitaus aussagekräftiger. Treten bestimmte Krebsarten (z.B. Brust-, Darm- oder Eierstockkrebs) in Ihrer Familie gehäuft oder in jungen Jahren auf? Dies ist ein viel stärkeres Warnsignal als ein unauffälliger DTC-Test. Basierend auf der Familienanamnese kann ein Arzt entscheiden, ob eine umfassende klinische Gendiagnostik sinnvoll ist. Diese analysiert dann ganze Gene oder ein Panel von Genen vollständig und liefert ein viel präziseres Risikoprofil.

Ein DTC-Test kann ein erster, niedrigschwelliger Anstoß sein, sich mit dem eigenen Risiko zu beschäftigen. Er ersetzt jedoch niemals das Gespräch mit einem Experten. Die Interpretation der Ergebnisse erfordert medizinisches Fachwissen. Ein positives Ergebnis in einem DTC-Test muss immer durch eine klinische Diagnostik in einem zertifizierten Labor in Deutschland bestätigt werden, bevor irgendwelche medizinischen Entscheidungen getroffen werden. Die Familienanamnese bleibt das mächtigste und präziseste Werkzeug für eine erste Risikoeinschätzung, da sie das komplexe Zusammenspiel vieler, auch unbekannter, genetischer und familiärer Faktoren widerspiegelt.

Letztlich ist die Kombination aus sorgfältiger Familienanamnese und gezielter ärztlicher Beratung der Goldstandard, um Ihr persönliches Krebsrisiko präzise zu bestimmen und die richtigen präventiven Schritte einzuleiten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Neue Therapien sind keine Allheilmittel, sondern hochspezialisierte Werkzeuge für bestimmte Krankheiten und Patienten.
  • Der Weg von der Forschung zur Kostenübernahme in Deutschland ist lang und streng reguliert, um Sicherheit zu gewährleisten.
  • Die kritische Bewertung von Informationen und das Erkennen unseriöser Anbieter ist eine entscheidende Fähigkeit für Patienten.

Wie verhindern Sie 80% aller chronischen Krankheiten durch 5 präventive Maßnahmen?

In einer Zeit, in der medizinische Hightech-Therapien für Schlagzeilen sorgen, gerät die wirksamste Medizin von allen leicht in den Hintergrund: die Prävention. So beeindruckend die Fortschritte in der Gen- und Immuntherapie auch sind, sie sind in der Regel für schwere, bereits bestehende Erkrankungen konzipiert. Die überwältigende Mehrheit der chronischen Krankheiten, die unsere Gesellschaft belasten – darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und viele Krebsarten – hat ihre Wurzeln jedoch im Lebensstil. Die Forschung ist hier eindeutig: Ein großer Teil dieser Leiden ist vermeidbar.

Es sind keine geheimen Formeln oder teuren Nahrungsergänzungsmittel, die den Unterschied machen, sondern fünf grundlegende Säulen eines gesunden Lebens. Diese Maßnahmen bilden das Fundament Ihrer Gesundheit, auf dem alles andere aufbaut. Ohne dieses Fundament können selbst die fortschrittlichsten Therapien nur begrenzt wirken. Die fünf entscheidenden präventiven Maßnahmen sind:

  • ausgewogene Ernährung: Reich an Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und gesunden Fetten, arm an verarbeiteten Lebensmitteln, Zucker und rotem Fleisch.
  • Regelmäßige Bewegung: Mindestens 150 Minuten moderate Aktivität (wie zügiges Gehen) oder 75 Minuten intensive Aktivität (wie Joggen) pro Woche.
  • Verzicht auf Rauchen: Der mit Abstand wichtigste Einzelfaktor zur Reduzierung des Risikos für Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall.
  • Moderater Alkoholkonsum: Die Reduzierung des Alkoholkonsums senkt das Risiko für Lebererkrankungen und verschiedene Krebsarten.
  • Stressmanagement und ausreichender Schlaf: Chronischer Stress und Schlafmangel schwächen das Immunsystem und fördern Entzündungsprozesse im Körper.

Diese Maßnahmen sind nicht nur kostenlos, sondern stärken Ihren Körper von innen heraus und erhöhen seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten. Sie verbessern die Effektivität des Immunsystems – genau jenes Systems, das die moderne Immuntherapie zu aktivieren versucht. Prävention und Therapie sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Ein gesunder Lebensstil schafft die bestmögliche Ausgangslage, damit Ihr Körper gar nicht erst erkrankt oder im Krankheitsfall optimal auf eine Behandlung ansprechen kann.

Bevor Sie also auf die nächste medizinische Revolution warten, beginnen Sie mit Ihrer eigenen: Übernehmen Sie die Kontrolle über diese fünf Bereiche. Es ist die größte Investition, die Sie in Ihre langfristige Gesundheit tätigen können.

Häufig gestellte Fragen zu neuen Therapien

Wie ist die rechtliche Situation ungeprüfter Stammzelltherapien in der EU?

In der EU werden Behandlungen mit adulten körpereigenen Stammzellen als ‚Advanced Therapy Medicinal Products‘ (ATMP) eingestuft. Ihre Genehmigung obliegt in Deutschland dem Paul-Ehrlich-Institut gemäß der ATMP-Verordnung EG Nr. 1394/2007. Jede Therapie, die außerhalb einer genehmigten klinischen Studie angeboten wird, ist kritisch zu hinterfragen.

Was ist Stammzelltourismus?

Als Stammzelltourismus bezeichnet man das Phänomen, dass Patienten in Länder mit weniger strengen Regularien reisen, um dort ungeprüfte Stammzelltherapien zu erhalten. Oft wird der Standort in einem Land mit hohem medizinischen Standard wie Deutschland angegeben, die eigentliche Behandlung findet aber im Ausland statt.

Wie erkenne ich seriöse von unseriösen Anbietern?

Seriöse Anbieter sind behördlich kontrolliert, führen nachweisbare klinische Studien durch, die in öffentlichen Registern einsehbar sind, und verlangen keine hohen Gebühren von Studienteilnehmern. Unseriöse Kliniken versprechen hingegen oft Heilung für verschiedenste Krankheiten mit denselben Zellen und untermauern dies nur mit Patientenberichten statt mit wissenschaftlichen Belegen.

Geschrieben von Franziska Becker, Dr.-Ing. Franziska Becker ist promovierte Umweltingenieurin und seit 13 Jahren Nachhaltigkeitsberaterin mit Spezialisierung auf Kreislaufwirtschaft, CO₂-Bilanzierung und betriebliches Umweltmanagement. Sie leitet ein Beratungsunternehmen mit 12 Mitarbeitenden, das Unternehmen und Kommunen bei der Dekarbonisierung unterstützt.